Festakt in Ulm zum 200-jähringen Jubiläum der Auswanderung

Am 21. Mai in der Stadt Ulm, am Donauschwabenufer fand ein Festakt anlässlich der Auswanderung der Deutschen in den Süden Russlands und nach Südkaukasus vor 200 Jahren statt.

Der Festakt wurde veranstaltet durch den Bundesverband der Deutschen aus Russland e. V. (BVDR e. V.) unter Vorsitz von Juri Heiser, sowie durch den Jugend- und Studentenring der Deutschen aus Russland e. V. (JSDR e. V.) unter Vorsitz von Julia Iwakin und Waldemar Weiz. Die Assoziation der Deutschen Georgiens Einung war beim Festakt vertreten durch den Präsidenten Dr. Harry Augst.

Diesem Festtag haben wir eine eigene Fotogalerie gewidmet:
https://einung.org/200-jaehringen-jubilaeum-der-auswanderung/

Während der Feierlichkeit wurde unter Leitung von Harry Augst ein Film gedreht, den Sie hier anschauen können:

Film vom Festakt in Ulm zum Jubiläum der Auswanderung (22 Minuten)

Anlässlich des Jubiläums wurde eine Gedenktafel enthüllt. Auf dieser ist der entbehrungsreicher Weg der deutschen Auswanderer sowie ihre ersten Kolonien, darunter auch in Georgien abgebildet.

Eine detaillierte Pressemitteilung zu dem Festakt von Seiten der Veranstalter können Sie hier lesen: Pressemitteilung

Dr. Harry Augst hat beim Festakt an der historischen Stadtmauer von Ulm eine Rede im Namen der Deutschen Georgiens  gehalten:

Sehr geehrte Damen und Herren,

heute ist ein sehr bedeutender Tag für uns alle.

Vor 200 Jahren haben sich unsere Vorfahren von hier auf einen fernen Weg gemacht. Wir wollen diese mutigen Kolonisten ehren, die 1817 in Richtung Südkaukasus gingen. Jeder kann sich vorstellen, wie gefährlich damals eine solche Auswanderung war und wie mutig unsere Vorfahren waren.

Die Gründe für diese Entscheidung waren die Ihnen bekannten religiösen Gründe sowie schwere wirtschaftliche und soziale Lage in Deutschland in der damaligen Zeit. Laut Historikerin Eva Maria Auch waren die Gründe für diese Entscheidung etwa zu 53 % die damals herrschende Not und die religiösen Motive etwa zu 25%. Von der Seite des russischen Imperiums war der Initiator der Aufnahme der Deutschen General Ermolov.

Auch gab es in der damaligen Zeit einen besonderen Grund, der unsere Vorfahren dazu bewegt hat, ihr Glück im Südkaukasus zu suchen. Es war ein „vulkanischer Winter“ über Mitteleuropa. Dieser wurde durch eine Eruption des Vulkans Tambora 1815 in Indonesien ausgelöst. Aufgrund einer gigantischen Vulkaneruption zogen riesige Wolken mit der vulkanischen Asche über Deutschland. Deswegen ist die Ernte für einige Jahre ausgefallen. Erst viel später konnten Wissenschaftler verstehen, was passiert ist. Damals wurde dieses Ereignis auch als ein Vorbote vom Ende der Welt gesehen.

In Georgien, haben die Deutschen eine sehr bedeutende Rolle gespielt. Sie haben die Verbreitung europäischer Werte, technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt vorangetrieben. Auch wurde durch sie die deutsche Sprache und Deutsche Kultur im Kaukasus verbreitet. Die Haltung zu Deutschen und zu Deutschland ist in der georgischen Gesellschaft überwiegend gut. Zu einem bedeutenden Teil ist es der Verdienst unserer deutschen Volksgruppe die in Georgien seit 200 Jahren lebt.

1991 haben wir unsere Assoziation der deutschen Georgiens „EINUNG“ gegründet. Wir sind Mitglied von FUEV, der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen, des Rates der Minderheiten in Georgien und nehmen Teil an der Arbeit von AGDM. Als wir unsere Assoziation gegründet haben, konnten wir uns noch nicht vorstellen, was für einen großen Beitrag unsere deutsche Volksgruppe zu der Kultur, Wissenschaft von Georgien geleistet hatte. Trotz vieler Verfälschungen der Geschichte durch totalitäre Regime, konnten wir sehr viele Fakten über die Geschichte der Deutschen Georgiens ans Licht bringen. Je mehr wir uns mit dieser Arbeit befasst haben, desto klarer wurde es, dass unsere Vorfahren uns eine sehr hohe Messlatte hinterlassen haben.

Viele bedeutenden Architekten, Wissenschaftler, Schriftsteller, Industrielle in Georgien gehörten zu der deutschen Minderheit. Beispielsweise lebte und forschte in Georgien Hermann Abich. Er war der Vater der Geologie in Kaukasus. Er lebte mehr als 30 Jahre in Tbilissi und erstellte wichtige geografische und geologische Karten des Kaukasus. Eine sehr große Rolle spielte die Firma Siemens, die damals in Georgien tätig war. Zwei der Brüder Siemens lebten in Tbilissi und sind dort begraben. Auch ganz viele weitere fleißige deutsche Ingenieure, Ärzte, Künstler haben in Georgien den Fortschritt mitgestaltet.

Trotzdem mussten wir mit sehr vielen Schwierigkeiten kämpfen, bei der Frage der Kompensation für das, uns Deutschen, zugefügtes Leid. Da unsere Volksgruppe relativ klein ist, wurde die Frage zusammen mit den Fragen anderer Opfern kommunistischer Diktatur entschieden. Unsere Frage wurde zum Beispiel zusammen mit der schwierigen Frage der meskhetischen Türken betrachtet. Im Jahre 1997 kam ein Gesetz bezüglich der Auszahlung einer moralischen Kompensation. Dieses wurde aber nicht umgesetzt. Erst nach ganz vielen Bemühungen gab es 2014 ein zweites Gesetz mit einer Verbesserung. Unsere Assoziation hat sehr viel zur Lösung dieser Frage beigetragen. Dabei haben wir viele Diskussionen und Fernsehauftritte mitgestaltet.

Aufgrund der Initiative unserer Assoziation hat der Stadtrat von Tbilissi eine der neuen großen Straßen nach einem deutschen Architekten der in Georgien lebte, Leopold Bilfeld genannt.

Ich möchte hier auch kurz eine Episode aus der Geschichte Georgiens erzählen, bei der unsere deutsche Minderheit eine entscheidende Rolle gespielt hat: Es war 1918 nach dem Friedensvertrag von Brest. Nach dem Vertrag sollte Adjarien mit Batumi an die Türkei abgegeben werden. Die Türken wollten sich aber nicht mit Ajarien zufrieden geben. Sie wollten weiter nach Georgien eindringen. Im Jahre 1918 ist die damalige kaukasische Föderation zerfallen und Georgien erklärte seine Unabhängigkeit. Deutschland wollte für die Unabhängigkeit von Georgien sorgen. Deutsche Truppen waren aber nicht zum richtigen Zeitpunkt dort.

Deswegen wurden noch vor der Ankunft deutscher Truppen die in Georgien lebenden Volksdeutschen in die deutsche militärische Uniform gekleidet und an der Grenze zu Türkei aufgestellt. Die türkischen Truppen haben die Deutschen gesehen und wollten den stärkeren Partner nicht angreifen. So wurde damals eine schlimme Wendung für Georgien vermieden.

Ganz viele weitere, sehr interessante Fakten über die Deutschen Georgiens sind auf unserer Webseite zu finden. Auch haben wir sehr viele Fernsehauftritte, Projekte und aktiv nehmen am gesellschaftlichen Leben teil.